Volksmarine der DDR
MSR Jüterbog
In Jüterbog war keine Einrichtung der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA) angesiedelt, wenn man von dem für eine Kreisstadt obligatorischen Wehrkreiskommando einmal absieht. Eine der am nächsten gelegenen NVA Einrichtungen dürfte die Hilfsnachrichtenzentrale 4 (HNZ-4) in Hennickendorf westlich Luckenwalde gewesen sein, die dort in einem als Führungsstelle eingerichteten geschütztem Bauwerk untergebracht war und bis 1980 den Decknamen "Kirsche" führte, danach "Soroka". Es gibt jedoch eine andere Beziehung von Jüterbog zur NVA, die nicht direkt zur Garnisongeschichte gehört, aber als durchaus berichtenswert anzusehen ist.
Ein Schiff der DDR-Volksmarine trug den Namen der Stadt Jüterbog! Es war ein Minensuch- und Räumschiff (MSR) mit der Bordnummer 342.
Nach einer operativ-taktischen Forderung (OTF) war 1963 in der Peene-Werft Wolgast damit begonnen worden, die Entwicklung einer Serie MSR-Schiffe einzuleiten, die größer und hochseetüchtig sein sollten, als die zur Ablösung anstehenden MLR-Schiffe vom Projekt "Habicht" bzw. „Krake“. Anfang 1966 waren das technische Projekt und die Konstruktion abgeschlossen. Im März begann der Bau des „Nullschiffes“ (Baunummer 89.0). Nach umfassender Erprobung des Prototyps wurde das Projekt 89 zu „89.1“ (Kondor I) weiterentwickelt. Statt 283 Tonnen hatte die nächste Variante ein Normaldeplacement von 339 Tonnen. Die Schiffe waren 52 m lang und 7 m breit. Insgesamt wurden von der Kondor-I-Serie 21 Schiffe ( Bau-Nr. 89.101 bis 89.121) mit einem Stückpreis von rund 7,3 Millionen DDR-Mark gebaut.
Im November 1968 wurde mit einer weiteren OTF eine nochmalige Weiterentwicklung eingeleitet, die schließlich zu dem Schiffstyp der „Jüterbog“ führte. Beim Projekt 89.2 (Kondor II) wurden die Schiffe noch 5 m länger als die von Kondor I, die Tonnage stieg auf 436 to. Die Artilleriebewaffnung bestand in drei 25mm-Doppelafetten. Außerdem fanden weiterentwickelte Minensuch- und Räumgeräte Anwendung. 1971 kam das erste Schiff dieser Serie zum Einsatz. Insgesamt sind 30 Stück (Bau-Nr. 89.222 bis 89.251) gebaut worden, jeweils zu einem Herstellungspreis (ohne Entwicklungskosten) von 8,7 Mio DDR-Mark. Das MSR mit der Bau-Nr. 89.239 wurde am 01.11.1972 unter dem Namen "Jüterbog" mit der Bordnummer 342 in Dienst gestellt.
Mit dem Befehl 119/84 erfolgte 1984 in der Volksmarine eine Umklassifizierung der Schiffe. Aus dem Projekt 89.1 (MSR-kurz) wurde das Küsten-Minenabwehrschiff und aus dem Projekt 89.2 (MSR-lang) das Hochsee-Minenabwehrschiff. (1)
Technische Daten:
Verdrängung 436 t, Länge 56,7 m, Besatzung 30 Mann, Bewaffnung 6-25 mm und div. Minenräumgerät, Geschwindigkeit 18 sm, Antrieb 2 Dieselmotoren mit 2942 kW, Fahrstrecke 2000 sm
Die Jüterbog wurde am 03.10.1990 außer Dienst gestellt. Der damalige Direktor des Kreisheimatmuseums Jüterbog und spätere Vorsitzende des Garnisongeschichtsvereins „St. Barbara“ e. V. initiierte am 9. Oktober 1991 eine Fahrt nach Peenemünde, wo das Schiff im Päckchen lag mit weiteren ausgemusterten Schiffen der ehemaligen Volksmarine. Mit dabei waren der Jüterboger Bürgermeister Bernd Rüdiger, der einst selbst bei der Volksmarine gedient hatte, und der letzte Chef des Verteidigungskreiskommandos Luckenwalde der Bundeswehr, das bald darauf auch aufgelöst worden war. Bei der Gelegenheit wurden letzte Fotos von dem Schiff gemacht, sowie Erinnerungsstücke für die Stadt gesichert.
1993 wurde die Ex-Jüterbog mit weiteren acht Schiffen der Baureiche Kondor II an Indonesien abgegeben.
Das Bild zeigt den Transport der neun Kondor II Schiffe 1993 mit einem russischen Schwerlasttransportschiff nach Indonesien.
(1) Mehl, Hans, u. Schäfer, Knut: Die Seestreitkräfte der NVA. Stuttgart 2004